Predigt zum 26. Sonntag im Jahreskreis (Lk 16,19–31)
Das Evangelium vom reichen Mann und vom armen Lazarus erzählt keine pauschale Verurteilung von Reichtum. Es erzählt vielmehr von Menschen, die in ihrem Wohlstand leben – prächtig, abgesichert – und dabei die Not der Armen vor ihrer Tür übersehen.
Schon der Prophet Amos im 8. Jahrhundert vor Christus hat dieses Verhalten angeklagt: „Weh den Sorglosen in Zion … sie liegen auf Elfenbeinbetten … sie kümmern sich nicht um den Zusammenbruch Josefs“ (Am 6,1–6). Damals ging es um das Schicksal des ganzen Volkes. Heute – bei Jesus – geht es um das Schicksal jedes einzelnen Menschen.
Jesus greift dabei Vorstellungen seiner Zeit auf: verschiedene Bereiche im Jenseits – Trost für die Gerechten, Qualen für die Bösen, dazwischen ein unüberwindbarer Abgrund. Aber es geht ihm nicht darum, eine Topographie des Jenseits zu zeichnen. Seine Botschaft ist direkter: „Öffne deine Augen – jetzt. Sieh den Lazarus vor deiner Tür – jetzt.“
Der Schlusssatz ist scharf: „Wenn sie nicht auf Mose und die Propheten hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht.“ (Lk 16,31). Das ist die Frage an uns: Lassen wir uns durch das Wort Jesu verändern? Oder verschließen wir die Augen – selbst angesichts der Auferstehung?
Dabei geht es nicht nur um das persönliche Seelenheil, sondern auch um die Gemeinschaft. Schon zur Zeit Amos’ musste eine ganze Gesellschaft den Untergang erleiden, weil manche sich im Luxus verloren und die Armen übersehen haben. Das Heil des Einzelnen ist nie losgelöst vom Heil der Gemeinschaft. Beides gehört untrennbar zusammen.
Darum lautet die Frage: Kann das, was mir guttut, auch der Gemeinschaft dienen? Kann mein Streben nach Glück auch anderen zugutekommen? Christliche Verantwortung heißt, das eigene Wohl und das Wohl aller miteinander zu verknüpfen.
Und schließlich: Unser Glaube geht weiter als das Gleichnis. Wir glauben nicht nur an den „Schoß Abrahams“, sondern an die volle Gemeinschaft mit Gott selbst. Nicht nur an Trost, sondern an die Vereinigung mit dem, der uns liebt, der uns Verantwortung gegeben hat, und der uns heimholen will.
Die Botschaft des Evangeliums ist klar:
– Öffne die Augen für den Lazarus vor deiner Tür.
– Vergiss nicht: Heil und Gemeinschaft gehören zusammen.
– Vertraue: Am Ende wartet nicht nur Trost, sondern die ewige Gemeinschaft mit Gott selbst.
Amen.